Verzichterklärung, Verwaltungskosten, Fondsorgane
Das Komitee des Österreichischen Versöhnungsfonds: (v.l.n.r.) Mag. Maximilian Kothbauer, Dr. Claudia Schmid, Dr. Christoph Kainz, Botschafter Dr. Ludwig Steiner, Dr. Friedrich Wennig  
Der Komitee-Vorsitzende des Österreichischen Versöhnungsfonds, Botschafter Ludwig Steiner, bei der Übergabe eines Schecks in Moskau  
Alle, denen ein Anspruch nach dem Gesetz zuerkannt wurde, mussten sowohl Österreich wie auch Deutschland und deren Unternehmungen gegenüber auf weitere Ansprüche verzichten. Dieser Verzicht und die Tatsache, dass abwechselnd auf deutschem und heute wieder österreichischem Gebiet geleistete Zwangsarbeit nur einmal entschädigt wurde (§ 4), ist vereinzelt auf Unverständnis und Widerspruch gestoßen. Aber die Begründungen waren immer klar: Für Ansprüche sollten die Arbeitsbedingungen und nicht Grenzen ausschlaggebend sein, und ohne die Gewährleistung künftiger Rechtssicherheit wäre das Geld nicht aufzubringen gewesen. Immerhin haben zu den sechs Milliarden Schilling (436 Millionen Euro) in einer nicht einfachen Sammelaktion der österreichische Gesamtstaat, die Wirtschaft und die neun Bundesländer beigetragen; alle Beträge blieben wie immer in solchen Fällen steuer- und abgabenfrei. Die Höhe der mit der Abwicklung verbundenen Verwaltungskosten (also Personal- und Sachaufwendungen einschließlich aller Informationsmaßnahmen) sollte sich laut Bericht des zuständigen Ausschusses des österreichischen Nationalrates an der in der Schweizer Lösung dafür vorgesehenen Obergrenze von 5,5 Prozent der Gesamtsumme orientieren. Tatsächlich schaffte es der Österreichische Versöhnungsfonds, diese Kosten allein aus dem Zinsertrag der Sechs-Milliarden-Summe zu bestreiten, wobei ein Teil der Zinsen sogar noch dem Kapital des Österreichischen Versöhnungsfonds zufiel, das den Zwangsarbeitern der NS-Zeit zugute kommt! Wichtig war auch die Bestimmung im Gesetz, dass eine Entschädigungsleistung an einen Zwangsarbeiter nicht als Vorwand genommen werden durfte, diesem in seinem jetzigen Aufenthaltsland andere Einkünfte zu schmälern (§ 8). Als Organe des Österreichischen Versöhnungsfonds sah das Gesetz ein Kuratorium, ein Komitee und einen Generalsekretär vor.

» Das Kuratorium unter Vorsitz des österreichischen Bundeskanzlers ist das oberste Organ des Versöhnungsfonds (§ 12) und setzt sich aus 23 Personen zusammen: aus vier Vertretern der Regierung (Wolfgang Schüssel, Hans Winkler, Werner Pollak, Martin Eichtinger), je einem Vertreter der in den Nationalrat gewählten Parteien (Ulrike Baumgartner-Gabitzer, ÖVP, Elisabeth Hlavac – später ersetzt durch Christine Lapp –, SPÖ, Michael Krüger, FPÖ, Terezija Stoisits, Grüne), einem Vertreter der neun Landeshauptleute Österreichs (Anton Eggendorfer), drei Vertretern der Wirtschaft (Heinz Kessler, Wolfgang Eder bzw. Markus Geier, Hans Haider), je einem Vertreter der Arbeitsgemeinschaft der KZ-Verbände und Widerstandskämpfer Österreichs (Alfred Ströer), des Dokumentationszentrums des Bundes jüdisch Verfolgter des Naziregimes (Anton Winter, später Joanna Nittenberg) und des Kulturvereins österreichischer Roma (Rudolf Sarközi), je einem Regierungsvertreter von Belarus (Vladimir Lokis), Polen (Jan Barcz), Russland (Alexander Potschinok), Tschechien (Miroslav Kunstat, später Zenek Aulický), Ukraine (Igor M. Luschnikov), Ungarn (János Fónagy) und USA (Lee A. Brudvig, später Arkell Daniel Weygandt) sowie einem von der US-Regierung entsandten Rechtsanwalt (Martin Mendelsohn).
Wenn man nachrechnet, wird man feststellen: elf offizielle Vertreter Österreichs, elf Vertreter der Opfer. (Bei Stimmengleichheit würde der Bundeskanzler entscheiden, aber dazu kam es nie.) Das Kuratorium hatte unter anderem eine Geschäftsordnung, Richtlinien für die Vergabe von Leistungen, eine Finanzordnung, Prüfungs- und Kontrollmechanismen, die Einrichtung eines Komitees und die halbjährliche Berichterstattung an die Regierung zu beschließen.

» Das Komitee des Österreichischen Versöhnungsfonds (§ 13) hatte die ihm übertragenen Aufgaben der laufenden Geschäftsführung zu erfüllen. Ihm gehören der Kuratoriumsvorsitzende oder ein von diesem bestellter Vertreter (dies war von Anbeginn Staatssekretär a. D. Botschafter Ludwig Steiner), ein Stellvertreter und drei weitere Mitglieder an – alle vom Kuratorium entsandt. Christoph Kainz, Geschäftsführer der von der Wirtschaft gebildeten Plattform Humanitäre Aktion, wurde als Stellvertreter bestellt, weitere Komiteemitglieder wurden Max Kothbauer, ehemaliger Generaldirektor der Österreichischen Postsparkasse, Vorstandsmitglied Claudia Schmid von der Kommunalkredit AG und Rechtsanwalt Friedrich Wennig.

» Der Komitee-Vorsitzende Ludwig Steiner, ein gebürtiger Innsbrucker des Jahrgangs 1922, wurde nach der Reifeprüfung zur Deutschen Wehrmacht einberufen, war ab 1943 in der österreichischen Widerstandsbewegung aktiv, nach Erlangung des Doktorats der Wirtschaftswissenschaften seit 1948 im diplomatischen Dienst des Auswärtigen Amtes tätig, bald Sekretär von Außenminister Karl Gruber, dann von Bundeskanzler Julius Raab, 1955 Teilnehmer an den Moskauer Staatsvertragsverhandlungen (und Autor der damals nicht verwirklichten Idee, durch Einführung einer Sonderabgabe eine symbolische Entschädigung aller Nazi-Opfer zu ermöglichen), später Staatssekretär im Außenministerium. Sein Diplomatenberuf führte ihn nach Paris, Sofia und Athen, elf Jahre lang war er Abgeordneter zum Nationalrat. Steiner führte auch den Vorsitz in der Politischen Kommission der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und gehört bis heute dem Vorstand des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes an.

» Der Generalsekretär ist das Exekutivorgan des Versöhnungsfonds (§ 14), bereitet alle Beschlüsse von Komitee und Kuratorium vor und treibt die Abwicklung voran. Bundeskanzler Schüssel schlug dafür den bewährten Diplomaten Richard Wotava vor: Jahrgang 1933, Doktor der Rechtswissenschaften, seit 1956 im diplomatischen Dienst des Auswärtigen Amtes. (Rom, Tel Aviv, Athen, Botschafter in Caracas, Warschau und Madrid, ständiger Vertreter bei UNO und UNIDO in Wien). Bereits als pensionierter Diplomat war er österreichischer Koordinator für den Stabilitätspakt in Südosteuropa, dessen EU-Koordinator heute der ehemalige österreichische Vizekanzler Erhard Busek ist.

Botschafter Steiner und Botschafter Wotava ist mit der vorbildlichen Abwicklung des Versöhnungsfonds noch nach ihrem Ausscheiden aus dem diplomatischen Dienst eine Krönung ihres vielseitigen Lebenswerkes gelungen.
 



 Zurück zur Auflistung Artikel drucken