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Zum Geleit Maria Schaumayer
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Wir wollten niemanden vergessen
Mit dem Fonds für Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit, der von allen im Parlament vertretenen Parteien im Jahr 2000 beschlossen wurde, hat die Republik Österreich ein lange Zeit offenes Kapitel aus den dunklen Jahren des NS-Regimes aufgearbeitet. Opferorganisationen und Regierungsstellen jener Länder Mittel- und Osteuropas, aus denen die größte Zahl der Sklaven- und Zwangsarbeiter stammte, sowie Historiker, Zeitzeugen und persönlich Betroffene haben daran konstruktiv mitgewirkt.
Der Anruf von Bundeskanzler Dr. Schüssel Anfang Februar 2000, dass ich mich als Regierungsbeauftragte für freiwillige Leistungen an Sklaven- und Zwangsarbeiter, die vom NS-Regime auf dem Gebiet des heutigen Österreich eingesetzt waren, zur Verfügung stellen solle, weckte in mir Kindheitserinnerungen. Da waren auf einmal wieder bildhafte Erinnerungen an Menschen, die unter Bedrohung und Bewachung tätig sein mussten, mit denen man nicht sprechen durfte, für die wir Mitleid empfanden, ohne ihnen helfen zu können.
Natürlich stellte ich mich ehrenamtlich zur Verfügung. Selbstverständlich wusste ich, dass die Menschen, für die ich mich mit einer rasch gebildeten kleinen, aber sehr ambitionierten Task Force bemühen wollte, betagt waren und wir daher nicht säumig werden durften. Wir ahnten auch, dass die Opfer nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes nur in den wenigsten Fällen ein eigenes Leben gefunden hatten, das sie die schwere Zeit der Sklaven- und Zwangsarbeit hätte vergessen lassen.
Bei unseren Arbeiten für das Versöhnungsfonds-Gesetz folgten wir dem Auftrag der Bundesregierung und dem Wunsch der Opferorganisationen, möglichst niemanden zu vergessen und den unterschiedlichen Leiden auch in würdiger Form differenziert gerecht zu werden. Aus diesem Wissen und Bemühen ergaben sich Unterschiede zwischen der österreichischen und der deutschen Regelung, die nicht zum Nachteil der Opfer gerieten. Ich bin Herrn Bundeskanzler Dr. Schüssel dankbar, dass er meine Anregung akzeptierte, ungleich der Bundesrepublik Deutschland Menschenschicksale und noch vorhandene Restitutionsfragen getrennt – wenngleich nicht ohne Konnex – zu verhandeln. Diese Vorgangsweise ermöglichte es, in Zusammenarbeit mit Stuart Eizenstat, dem Repräsenten der USA, in Sachen Sklaven- und Zwangsarbeit rasch Rechtsfrieden in den USA zu erlangen. Der im Dezember 2000 unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers konstituierte Österreichische Versöhnungsfonds konnte nach Abweisung der letzten Sammelklage daher schon Mitte 2001 mit den vollen und kontrollierten Leistungen an die betagten ehemaligen Sklaven- und Zwangsarbeiter beginnen.
Ich bin auch stolz darauf, dass Österreich eine von bisherigen Regelungen nicht erfasste Opfergruppe, nämlich jene der ungarischen Juden, die in den letzten Kriegsmonaten unter unsäglichen Bedingungen zum Bau des „Südostwalls“ teils in die Umgebung Wiens nach Strasshof und Laxenburg deportiert worden waren, über den Österreichischen Versöhnungsfonds identifizieren und bedenken konnte.
Österreich hat sich seinen moralischen Verpflichtungen aus den tragischen Geschehnissen des NS-Regimes gestellt. Die Leistungen des Versöhnungsfonds sollen den Opfern der NS-Sklaven- und Zwangsarbeit dokumentieren, dass Österreich ihr Leid begriffen hat, dass es ihnen Mitgefühl entgegenbringt und um dauerhafte Versöhnung bemüht bleibt. Möge die moralisch-humanitäre Geste befriedend und befreiend wirken für beide Seiten.
Dr. Maria Schaumayer, Regierungsbeauftragte für Zwangsarbeiterfragen 2000-2001
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